7. Dezember 2016

IPPNW KRITISIERT ENTSCHÄDIGUNGEN FÜR ATOMKONZERNE


Die Ärzteorganisation IPPNW begrüßt die Bestätigung des Atomausstiegs
(13. Novelle des Atomgesetzes) durch das Bundesverfassungsgericht.
Unverständnis äußert die IPPNW allerdings an der Entscheidung, der
Atomindustrie  Entschädigungszahlungen zuzubilligen. "Die abgeschalteten
Atomkraftwerke stellten nachweislich eine akute Gefährdung der
öffentlichen Gesundheit dar," so Dr. Alex Rosen, stellvertretender
Vorsitzende der IPPNW. "Gravierende Sicherheitsmängel waren lange bekannt
und wurden von den Betreiberfirmen stillschweigend hingenommen. Die
Entscheidung der Politik zur Abschaltung der Atomkraftwerke war daher
nicht nur richtig, sondern dringend notwendig, um eine Atomkatastrophe in
Deutschland zu verhindern."

Die betroffenen Atomkraftwerke waren zum Zeitpunkt der Abschaltung nach
Bewertung der Atomaufsichten von Bund und Ländern nicht mehr hinreichend
sicher. Am 16. März 2011 erstellte das Bundesumweltministerium unter dem
Eindruck des mehrfachen Super-GAUs in Japan ein Dokument mit dem Titel
„Erste Konsequenzen aus Fukushima – Sicherheitsüberprüfung deutscher
Kernkraftwerke und Neubewertung“ (Az.RS I 3 13042/9).

Dieser Sicherheitsüberprüfung und der vorgenommenen Neubewertung der
Atomenergie seitens der Bundesatomaufsicht ist zu entnehmen, dass die im
Zuge der 13. AtG-Novelle stillgelegten Atomkraftwerke nicht mehr den
sicherheitstechnischen und somit auch nicht den rechtlichen Anforderungen
genügten.

Exemplarisch ist dies am Beispiel des stillgelegten Atomreaktor Biblis B
darstellbar, für dessen Stilllegung die IPPNW über Jahre vor Gericht
prozessierte:

Einem internen Vermerk der Hessischen Atomaufsicht vom 19. September 2005
lässt sich entnehmen, dass Biblis B „selbstverständlich nicht dem
heutigen Stand von Wissenschaft und Technik" entspricht. Genau das wäre
aber gemäß Bundesverfassungsgericht zu gewährleisten. Leitende Beamte
der Bundesatomaufsicht hatten in einem internen Papier vom 12. August 1999
bereits festgestellt: "Alle laufenden Atomkraftwerke wären nach diesem
Maßstab heute nicht mehr genehmigungsfähig. Laufende Atomkraftwerke
entsprechen damit heute nicht mehr einem Sicherheitsmaßstab, der vom
Atomgesetz nach neuem Stand von Wissenschaft und Technik gefordert ist."

Der IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz dokumentierte auf der Grundlage
amtlicher Unterlagen für die Biblis-Klage mehr als 200
Sicherheitsdefizite von Biblis B. „Ein Gutachten im Auftrag der
Bundesatomaufsicht bestätigte im Jahr 2010, dass es sich bei 80 dieser
Sicherheitsdefizite um solche mit erheblicher „Relevanz“ handelte.
Weitere 36 Mängel der IPPNW-Defizitliste wurden als potenziell relevant
eingestuft“, so Paulitz.
Die so genannte „Nachrüstliste“ der Aufsichtsbehörden in Bund und
Ländern vom 3. September 2010 zeigte, dass die deutschen Atomkraftwerke
schwerwiegende Sicherheitsdefizite aufweisen. Für Biblis B wurden rund 25
der von der IPPNW dokumentierten Sicherheitsmängel bestätigt.

Die IPPNW fordert über die bisherigen Maßnahmen hinaus die sofortige und
entschädigungsfreie Stilllegung aller Atomkraftwerke, um das Risiko einer
erneuten Atomkatastrophe zu minimieren.

Offener Brief der IPPNW an das Bundesverfassungsgericht: vom 4. April 2014
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Verfassungsbeschwerden_Entschaedigungen_Atomindustrie.pdf
(Link:
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Verfassungsbeschwerden_Entschaedigungen_Atomindustrie.pdf
)
IPPNW-Klage:
https://www.ippnw.de/atomenergie/atomrecht/artikel/de/ippnw-klagt-auf-stilllegung-des-atom.html
(Link:
https://www.ippnw.de/atomenergie/atomrecht/artikel/de/ippnw-klagt-auf-stilllegung-des-atom.html
)

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