Berlin, 14. Oktober 2016. Mit einem dreisten
Formulierungstrick will die EU der Kritik an einer mangelhaften Verankerung des
Vorsorgeprinzips in dem geplanten europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA
begegnen. Das kritisierte die Verbraucherorganisation foodwatch am Freitag. Der
neue Entwurf einer Zusatzerklärung zu CETA sei "reine Augenwischerei", erklärte
Lena Blanken, Volkswirtin bei foodwatch.
Das Vorsorgeprinzip ist ein fest im europäischen Recht
verankerter Grundsatz. Demnach muss der Staat zum Beispiel die Gesundheit von
Verbraucherinnen und Verbrauchern vorsorglich schützen, selbst wenn eine Gefahr
noch nicht mit letzter wissenschaftlicher Sicherheit belegt ist. Ein
wesentlicher Kritikpunkt an CETA ist die mangelhafte Verankerung des
Vorsorgeprinzips im Vertragstext. Diesem und anderen Kritikpunkten will die
Europäische Kommission mit einer "Joint Declaration", einer gemeinsam mit Kanada
und den EU-Mitgliedstaaten abgefassten interpretatorischen Zusatzerklärung zu
CETA, begegnen. In einem neuen, gestern Abend bekannt gewordenen Entwurf dieser
Erklärung wird der Deutschen Presseagentur zufolge nun erstmals wörtlich Bezug
auf den Vorsorgegedanken genommen - mit dem Satz: "Die Europäische Union, ihre
Mitgliedstaaten und Kanada bestätigen noch einmal ihre Verpflichtungen, die sie
hinsichtlich von Vorsorge in internationalen Abkommen eingegangen
sind."
"Die neue Erklärung soll offenbar vorgeben, jetzt
endlich das Vorsorgeprinzip in CETA zu verankern - doch an der Substanz des
Vertragstextes ändert sie nichts", kritisierte Lena Blanken von foodwatch.
Das Trickreiche der jetzt vorgelegten Formulierung erkenne man erst auf den
dritten Blick. Denn der Entwurf der Zusatzerklärung verweist nicht einfach auf
das Vorsorgeprinzip, sondern auf Vorsorge-"Verpflichtungen", die EU,
EU-Mitgliedstaaten und Kanada "in internationalen Abkommen" eingegangen sind.
"Das ist eine wesentliche Einschränkung, mit der bedeutende Teile des
Vorsorgeprinzips, wie wir es in Europa kennen, über Bord geworfen würden!",
so Lena Blanken. "In internationalen Abkommen sowie im CETA-Vertragstext
beschränkt sich der Vorsorgegedanke auf den Umwelt- und Arbeitsschutz - in der
EU erstreckt er sich aber auch auf den Verbraucherschutz und den Schutz der
menschlichen Gesundheit. Beim Handel mit Lebensmitteln oder bei Regelungen über
Pflanzenschutzmittel erkennen internationale Vereinbarungen das Vorsorgeprinzip
gerade nicht an, anders als die EU. Fazit: Auch mit dem eiligst in die
Zusatzerklärung eingeschobenen Satz würde CETA das Vorsorgeprinzip wenn
überhaupt nur für den Arbeits- und Umweltschutz anerkennen, aber nicht für den
Gesundheits- und Verbraucherschutz. CETA öffnet Tür und Tor, um das
Vorsorgeprinzip zum Beispiel bei Lebensmitteln oder Pflanzenschutzmitteln zu
unterlaufen."
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