28. September 2016

Tierhaltung: Keine substanzlosen Schachzüge mehr

Zur Ankündigung eines staatlichen Tierwohllabels durch Landwirtschaftsminister Schmidt nach der aktuellen Berichterstattung zu Missständen in Tierställen erklären Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik, und Nicole Maisch, Sprecherin für Tierschutzpolitik:
 
Der Landwirtschaftsminister ist unter Zugzwang. Dass jetzt Funktionsträger der deutschen Fleischindustrie mit Bildern dahinsiechender Tiere aus eigenen Ställen konfrontiert werden, fällt auch auf ihn zurück. Der Bauernverband hatte im Landwirtschaftsminister stets einen Verbündeten, wenn es darum ging, möglichst wenig am bisherigen, rücksichtlosen Agrarsystem zu ändern. Die aktuelle Berichterstattung zu Missständen in Tierställen macht es sichtbar: Schweine und Puten mit offenen Wunden, Tiere, die nicht mehr laufen oder aufstehen können und tote Tiere, die nicht entsorgt werden. Dieses offensichtliche Leid in der hochrationierten und auf Effizienz getrimmten Tierhaltung ist erschütternd – daran kommt der Landwirtschaftsminister nicht vorbei.
 
Doch weitere substanzlose Schachzüge zum Leidwesen der Tiere kann sich der Minister nicht erlauben - das gesellschaftliche Interesse am Geschehen in deutschen Ställen und Schlachthöfen wächst. Wir brauchen kein Wohlfülh-Label, sondern eine klare Herkunftskennzeichnung. So entscheiden die Verbraucher mit, wie sich die Tierhaltung in Deutschland entwickeln soll. Für eindeutige Missstände müssen Gesetze verschärft werden. Wir brauchen eine Abkehr von Betonspaltenböden, Kükenschreddern und Qualzucht. Selbst die versammelte wissenschaftliche Kompetenz in Form des wissenschaftlichen Beirats des Landwirtschaftsministeriums bescheinigt der aktuellen Tierhaltung keine Zukunftsfähigkeit. Wir brauchen ein konsequentes Konzept für den lange aufgeschobenen Wandel in der Tierhaltung. Von Minister Schmidt wird es nicht kommen. Er steht vor dem Scherbenhaufen seiner Politik.
 
Jahrelang hat er wertvolle Zeit vergeudet und die Interessen der Fleischlobby aufgenommen. „Kompetenzkreis Tierwohl“, „freiwillige Selbstverpflichtungen“ und ein ominöses Grünbuch sind Beispiele für hilfloses Navigieren. Die gerne verwendete Ausrede, schwarze Schafe des Berufsstandes seien für tierquälerische Haltungsbedingungen verantwortlich, funktioniert nicht mehr.  Wenn in den Ställen eines Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft, dem Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und dem Vorstand der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands grausame Tierqual-Bilder entstehen, muss ein Landwirtschaftsminister endlich begreifen: Die Tiere leiden nicht trotz der modernen industriellen Tierhaltung, sondern wegen der modernen industriellen Tierhaltung. Wir brauchen eine klare Strategie, wie wir die industrielle Tierhaltung umbauen und den Neustart einer artgerechten Tierhaltung gestalten können.
 


BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

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