30. August 2015

Hanseatisches Oberlandesgericht verkündet Urteil im Prozess um cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ



- Termin: Dienstag, 1. September 2015, 10 Uhr im Hanseatischen Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg (Sitzungssaal 210, 1. Stock)

Berlin/Hamburg, 30. August 2015. Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg wird am kommenden Dienstag (1. September 2015, 10 Uhr) ein Urteil im Prozess um die umstrittene cholesterinsenkende Margarine Becel pro.activ erwartet. Die Verbraucherorganisation foodwatch hatte Hersteller Unilever vorgeworfen, Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen zu verschleiern und Risiken für Verbraucher in Kauf zu nehmen. Vor der Pressekammer geht es in zweiter Instanz um die Frage, ob der Nahrungsmittelkonzern Aussagen zur Sicherheit des Produkts weiter verbreiten darf (Az 7 U 7/13).

Unter Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers hatte Unilever im Jahr 2011 in einer Pressemitteilung behauptet, dass es bei Becel pro.activ "aus wissenschaftlicher Sicht ... keinen Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe. "Das ist nachweislich falsch", erklärte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga. "Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien hat Hinweise darauf geliefert, dass die der Margarine in hoher Konzentration zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Unilever kann die Sicherheit seines Produktes nicht belegen." Ziel der Klage ist es, dem Konzern die weitere Verbreitung seiner Aussage untersagen zu lassen.

In der mündlichen Verhandlung am 28. Juli tendierte das Oberlandesgericht jedoch dazu, das Unilever-Zitat - wie bereits die Vorinstanz - als bloße "Meinungsäußerung" einzustufen. Darauf zielte auch die Verteidigung von Unilever ab, eine solche "Meinung" dürfte der Hersteller schließlich weiterhin verbreiten, egal ob sie wahr oder unwahr ist. foodwatch sieht in dem Zitat dagegen eine "Tatsachenbehauptung". Diese wäre nur dann zulässig, wenn Unilever einen Beleg für ihre Richtigkeit vorlegen könnte. Der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht sagte, dass die Aussage "in einer Werbeanzeige schon eine gefährliche Sache" wäre - in einer Pressemitteilung jedoch eine zulässige Meinungsäußerung sein könnte. Die aus Verbrauchersicht entscheidende Frage, nämlich wie sicher bzw. riskant Becel pro.activ tatsächlich ist, spielte bei der Verhandlung keine Rolle.

In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg die foodwatch-Klage am 14. Dezember 2012 abgewiesen - ebenfalls ohne die Unilever-Aussage auf ihren Wahrheitsgehalt oder das Produkt auf seine Sicherheit hin zu überprüfen (Az 324 O 64/12).

"Unilever stellt ein Quasi-Medikament mit unbekanntem Nutzen und möglichen Risiken für jedermann zugänglich ins Kühlregal, nimmt sich einen Wissenschaftler, der mit seiner Autorität alle vorhandenen Hinweise auf Nebenwirkungen einfach leugnet, und entzieht sich einer Faktenprüfung, weil die Aussage über die Sicherheit des Produkts nur eine 'Meinung' sein soll - damit darf der Konzern nicht durchkommen", erklärte foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga. "Wenn dieses Modell Schule macht und sich Verbraucher nicht einmal darauf verlassen können, dass die Aussagen von Wissenschaftlern über mögliche Risiken eines Lebensmittels wahr sein müssen, haben wir ein ernsthaftes Problem."

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits 2008 in einer Stellungnahme festgehalten, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem "ausdrücklich vermieden werden sollte" und diese Empfehlung mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet. Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES wies zudem erst 2014 auf den fehlenden Beleg für einen gesundheitlichen Nutzen hin. Es gebe keinen Beweis, dass Lebensmittel mit zugesetzten Pflanzensterinen Herzkrankheiten vorbeugen.

foodwatch forderte Unilever auf, die Becel pro.activ-Margarine nicht länger frei für jedermann im Supermarkt anzubieten, sondern das Produkt wie ein Medikament zu behandeln und es im Falle einer arzneimittelrechtlichen Zulassung auf Rezept in der Apotheke zu verkaufen. Dies würde sicherstellen, dass gesunde Menschen ohne erhöhten Cholesterinspiegel nicht länger mithilfe eines Brotaufstrichs ohne Not an ihren Blutwerten herumdoktern und dass Nutzen, Risiken und Nebenwirkungen des Produkts vor einer Zulassung umfassender untersucht werden müssten.

Link:
Informationen und E-Mail-Aktion zu Becel pro.activ: tinyurl.com/becelproactiv  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...